Vortrag am 16.3.2015

Dr. Michael Schottmayer spricht zu dem Thema:

„Burnout – ein komplexes Geschehen mit Folgen für  Mensch und Gesundheit“

Um 19:30 Uhr im Hans-Wissenschaftskolleg.

Der Einlass ist ab 19:00 Uhr.

Die Zuhörerzahl ist auf 200 begrenzt.

„Nur wer selbst brennt, kann ausbrennen“

Das Phänomen des Ausgebranntseins bei Mitarbeitern sozialer Einrichtungen wurde 1974 zum ersten Mal beschrieben. Es sind gerade die besonders Engagierten, die sich innerhalb kurzer Zeit von Idealisten zu deprimierten, erschöpften, misstrauischen und leicht reizbaren Zynikern verwandeln, die ihre Klientel zunehmend gleichgültig und abweisend behandeln. 1977 prägt Schmidtbauer in diesem Zusammenhang den Begriff der „hilflosen Helfer“, denen es als Folge ihrer eigenen unerfüllten Bedürftigkeit nicht gelingt, professionelle Distanz zu ihrem Klientel zu halten.

Da liegt es nahe, die Ursachen in der Person des einzelnen Betroffenen zu sehen. Wie aber lässt sich die heute von Krankenversicherungen und Arbeitgebern einhellig konstatierte signifikante Zunahme der Fallzahlen erklären? Sogar von „Volkskrankheit Burnout“ ist in der Presse zu lesen. Ursachen werden in erhöhtem Stress in der Arbeitswelt gesehen, in zunehmendem Leistungsdruck bei gleichzeitiger Unsicherheit der Arbeitsplätze. Sind die Betroffenen also in Wirklichkeit Opfer der Verhältnisse?

Die „Opfertheorie“ ist lange Zeit die vorherrschende Sichtweise in der Burnout-Literatur. Im Mittelpunkt stehen hier meist Verlaufsmodelle des Burnout-Prozesses, die nachzeichnen, wie besonders leistungsfähige Mitarbeiter zunächst unauffällig, dann aber immer unaufhaltsamer in den Strudel geraten, an dessen Ende nicht selten das dauerhafte Ausscheiden aus dem Arbeitsleben droht. Die Frage, ob die Ursachen in der Person oder in den Arbeitsbedingungen zu suchen sind, bleibt unbeantwortet.

Nach heutigem Kenntnisstand scheint es sich tatsächlich um ein sehr komplexes Interagieren verschiedenster Faktoren zu handeln. Heute wird auf gesellschaftlicher Ebene das selbstverständliche Streben nach hohen Standards kritisch hinterfragt. Auf institutioneller Ebene nimmt die Arbeitspsychologie etwa seit Beginn dieses Jahrhunderts Entwicklungen in der Arbeitswelt in den Blick, die mit Konzepten der „Subjektivierung von Arbeit“ oder dem „Arbeitskraftunternehmer“ den zunehmend auf Arbeitnehmern lastenden Druck beschreiben. Sogar von Unternehmen als Dealer der Droge Arbeit ist im Zusammenhang von Arbeitssuchtphänomenen die Rede. Auf der sozialen Ebene ist inzwischen bekannt, dass Burnout gefährdete Personen wegen ihrer hohen Leistungsansprüche, die oft mit Pedanterie einhergehen, nicht das beste Verhältnis zu ihren Kollegen haben und entsprechend wenig Unterstützung erfahren, wenn ihre Leistungsfähigkeit abnimmt. Und auf der individuellen Ebene schließlich gehen Kliniker inzwischen davon aus, dass Burnout keine eigenständige Diagnose darstellt. Diagnostiziert wird häufig eine Depression.

Als vorläufiges Fazit kann festgehalten werden, dass Burnout als äußerst komplexes Geschehen zu verstehen ist, bei dem ungünstige Konstellationen verschiedenster Faktoren eine ausgesprochen destruktive Dynamik entfalten können. Monokausale Erklärungsmodelle sind daher eine eher schwache Basis für wirksame Therapie- und Präventionsansätze.

Dr. Michael Schottmayer (Universität Bremen) ist Soziologe und  Psychologe. Er ist Supervisor und seit 1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Transferstelle und Geschäftsführer des Studiengangs für Management und Organisationsentwicklung (ein berufsbegleitendes Studium für Führungskräfte an der Universität Bremen).

 

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